Abu Dhabi: viel Wüste und Museen
Qasr Al Hosn. Fort: S: Patio. © Roland Halbe
Es ist viel passiert im Emirat Abu Dhabi, das 1971 seine Unabhängigkeit unter der Herrschaft des Scheichs Zayed bin Sultan Al Nahyan erlangt hat. Bodenschätze haben Abu Dhabi reich gemacht und die Stadt in den letzten Jahrzehnten extrem schnell wachsen lassen.
Doch anders als in Dubai konzentriert sich die Regierung nicht so sehr auf Touristenmassen, die ein Wüstendisneyland mit künstlichen Hotelinsel und Indoor-Skihallen erleben möchten, sondern auf die Förderung von Kultur und Kunst. 2018 wurde das „Year of Zayed“ gefeiert, das Jahr, in dem der für das Emirat so bedeutende Scheich Zayed 100 Jahre alt geworden wäre. Er war es, der den Grundstein für die heutige Infrastruktur gelegt hat. Seine alte Festung, das „Qasr Al Hosn“, wurde im Dezember 2018 nach langem Umbau mit neuem Kulturcampus wiedereröffnet.
Mohammad Khalifa al-Mubarak, Vorsitzender der Tourismus- und Kulturbehörde von Abu Dhabi, über das Projekt: „Die kulturelle Bedeutung ist selbstverständlich sehr wichtig. Das Kulturzentrum spricht jeden Emirati an, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten lebt. Es repräsentiert einen zentralen Teil der Kulturgeschichte der Emirate. Hier werden die Geschichten des Landes und der Menschen erzählt. Dass es hier mitten im Stadtkern Abu Dhabis solch einen historischen Ort gibt, ist großartig. Und gleichzeitig merkt man, sobald man sich innerhalb der Mauern der Festung befindet, dass man in einer ganz relaxten Umgebung ist. Der Ort wird den Menschen eine Möglichkeit geben, hier zu entspannen und sich vorzustellen, wie Abu Dhabi vor 100 oder 200 Jahren ausgesehen hat.“
Qasr Al Hosn. Fort: NE facade. © Roland Halbe
Qasr Al Hosn. Fort: coordior look out. © Roland Halbe
Mohammad Khalifa al-Mubarak ist für alle Kulturinstitutionen des Emirats zuständig. Als wichtiger Teil der Regierung hat sich diese Behörde zum Ziel gesetzt, Abu Dhabi in einen international bedeutenden Kulturhotspot zu verwandeln und gleichzeitig das Kulturerbe der Vereinigten Arabischen Emirate zu vermitteln. Hierfür ist der im 18. Jahrhundert errichteten Bau „Qasr Al Hosn“ ein Paradebeispiel. Er ist einer der ältesten der Region und zeigt nun mit einer Dauerausstellung, wie die Menschen und insbesondere die Königsfamilie in den letzten 200 Jahren gelebt haben.
Die Festung ist nun von einem 140.000 Quadratmeter großen Kulturareal mit Palmengarten, Amphitheater, einer Werkstadt für traditionelles Handwerk und einer Kulturstiftung umgeben. Maya Allison ist Direktorin der NYU Abu Dhabi Art Gallery und Kuratorin für Ausstellungen in der wiedereröffneten Kulturstiftung, in der fast ausschließlich Künstler:innen der Golfregion gezeigt werden.
Es fällt auf, dass dabei weniger die Kunstwerke und ihre Bedeutung im Vordergrund stehen, als vielmehr die Geschichte der Künstler:innen, ihre Herkunft und Tradition. Auf dem Kulturareal soll den Emirati ihre Kulturgeschichte auf unaufdringliche Art und Weise nähergebracht werden.
Die Leidenschaft, mit der sie sich für dieses Projekt in der Kulturstiftung engagiere, rühre daher, dass sie verstehen wolle, wie all die Künstler:innen überhaupt Künstler:innen wurden in einer Zeit, in der es keinerlei Infrastruktur und Unterstützung für sie gab, so Allison, die aus den USA nach Abu Dhabi kam. Noch vor einiger Zeit habe es keine Kunsthochschulen, keine Kunstgalerien und keine Ausstellungsräume in den Emiraten gegeben. „Wieso sollte man da Künstler:in werden? Und dennoch war es so, als ob diese Menschen gar keine andere Wahl gehabt hätten, als Künstler:in zu werden – in dieser Welt ohne Infrastruktur“.
„Wir haben hier eine relativ klare Kulturstrategie." Mohammad Khalifa al-Mubarak
Neue zeitgenössische Kunsttrends und moderne Galerien findet man seit vielen Jahren in Dubai. Seit 2007 auch eine international erfolgreiche Kunstmesse – die Art Dubai.
Auf der Saadiyat-Insel im Osten Abu Dhabis stehen seit zwei Jahren der Louvre und seit 2009 das Manarat Al Saadiyat, ein Museum für zeitgenössische Kunst. Direkt neben den beiden Museen soll bald das Guggenheim Abu Dhabi eröffnen, für das es bereits eine Sammlung an angekauften Werken gibt. Aber auch andere Museen sind in Planung, erzählt Tourismus-Chef Mohammad Khalifa al-Mubarak.
„Wir haben hier eine relativ klare Kulturstrategie. Vor ein paar Monaten haben wir angekündigt, dass wir das ‚Al Ain National Museum‘ in Dubai, das älteste Museum der Vereinigten Arabischen Emirate aus dem Jahr 1971, restaurieren werden. Wir hoffen, dass wir das Museum im Dezember 2020 wiedereröffnen können. Gleichzeitig planen wir, in den nächsten fünf Jahren viele archäologische und zeitgenössische Museen zu eröffnen.“ 1
"Wir brauchen Nahrung, wir brauchen ein Dach über dem Kopf, wir brauchen Infrastruktur und dann Bildung." Maya Allison
Was das Emirat für die nächsten Jahre plant, ist keineswegs unrealistisch. Hier gibt es genug Platz und finanzielle Mittel, um alle möglichen Projekte zu realisieren. Doch woher sollen all die Besucher:innen kommen, die die Museen und Einrichtungen immerhin brauchen? Maya Allison, die seit über zehn Jahren in Abu Dhabi lebt und arbeitet, ist zuversichtlich. Schließlich sei das Land ja noch jung.
„Soweit ich weiß, gab es 1970 noch keine Straße zwischen Abu Dhabi und Dubai. Da war nur Sand. Und sie haben dann die ersten 20 Jahre damit verbracht, Straßen und Gebäude zu bauen. Ich denke, es gibt diese altbekannte Bedürfnis-Hierarchie der Menschen: Wir brauchen Nahrung, wir brauchen ein Dach über dem Kopf, wir brauchen Infrastruktur und dann Bildung. Und spätestens, wenn wir bei der Bildung angekommen sind, sehen wir, wie auch die Künste Früchte tragen und sich entwickeln. Ich glaube, es geht hier nicht direkt um eine bestimmte Interessenlage, als vielmehr darum, dass es jetzt endlich möglich ist, die kulturelle Tradition und die zeitgenössische Kunst zu fördern“, sagt Allison.
Anders als etwa in China, wo die zeitgenössische Kunst in den letzten Jahren aufgrund wachsenden Reichtums immer präsenter und beliebter wurde und auch als Konsumgut entdeckt wurde 2 scheint es in Abu Dhabi so zu sein, dass die beeindruckenden Kulturzentren, Museen und Neuankäufe in Millionenhöhe vorerst allein der Kunstvermittlung dienen. Ganz nach dem Motto: Wir zeigen dir, was wir haben, und wir zeigen dir, wer wir sind.