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Helsinki Biennale 2020: grüne Kultur

Im Frühjahr 2020 lädt Helsinki zur ersten Kunstbiennale auf die ehemalige Militärinsel Vallisaari. Einer von vielen Programmpunkten der Kulturstrategie der finnischen Hauptstadt, die bis 2035 auch CO2-neutral sein will.

Biennalen sind gerade der Verkaufsschlager im Stadtmarketing weltweit. Jedes Jahr eröffnen an unterschiedlichen Orten Biennalen für Kunst, Design und Architektur. Neben der 2018 ins Leben gerufenen Ausgabe in Riga feierte dieses Jahr auch Toronto eine neue Kunstbiennale. Weltweit gibt es mittlerweile über 100 Biennalen und die Tendenz, neue Standorte für Kunst auszuwählen, steigt. 1 Denn dort, wo kultureller Austausch stattfindet, entsteht Raum für neue Ideen, und unterschiedliche Lösungsansätze für gesellschaftliche, sozio-kulturelle und politische Fragen können geschaffen werden.

Seit Frühjahr dieses Jahres ist bekannt, dass auch in der finnischen Hauptstadt Helsinki im Juni 2020 eine Biennale für zeitgenössische Kunst stattfinden wird. Die Direktorin des Helsinki Art Museums (HAM) Maija Tanninen-Mattila ist zugleich Direktorin der Helsinki Biennale und hat eine ganzheitliche Vision für die Stadt im hohen Norden: „Wir sind das Kunstmuseum der Stadt Helsinki und freuen uns, dass wir die erste Helsinki Biennale auf der Insel Vaallissaari organisieren können. Es ist eine große Herausforderung, die Insel auch für Kunst zugänglich zu machen. Helsinki definiert sich im Moment sehr über Kultur. Das ist Teil der Strategie. Die Stadt unterstützt unser Vorhaben mit 7.5 Millionen Euro und eine private Stiftung spendet zusätzlich 2.5 Millionen Euro – da lässt sich schon was machen.“

"Helsinki definiert sich im Moment sehr über Kultur. Das ist Teil der Strategie." Maija Tanninen-Mattila

10 Millionen Euro sind eine ordentliche Summe. Das Geld wird aber nicht nur in Kunstwerke investiert. Ein Großteil des Budgets kommt dem öffentlichen Verkehrswesen und der Infrastruktur auf der mystisch anmutenden ehemaligen Militärinsel Vallisaari zu Gute, da es außer einer Fährverbindung aus Helsinki, sowie leeren Hütten und Feldwegen noch nicht viel gibt.

Bevor auf Vaalissari nächstes Jahr voraussichtlich circa 300.000 Besucher:innen Kunst und Natur bewundern, müssen alte Munitionskeller und Katakomben ausgeräumt und für das Publikum vorbereitet werden. Wasserleitungen müssen vom Festland aus verlegt werden. Gleichzeitig hat Sorge dafür getragen zu werden, dass die Insel, die unter Naturschutz steht, nicht unter der Biennale und ihrer Vorbereitung leidet. Denn hier leben seltene Vogelarten, Fledermäuse und über 300 Schmetterlingsarten. Kein Baum, kein Ast, kein Zweig soll beschädigt werden. Eine Herausforderung für die Veranstalter und für die Kuratorinnen Pirkko Siitari und Taru Tappola, die auch die passenden Künstler:innen für diesen besonderen Ort finden mussten.

„In den nordischen Ländern gibt es das Konzept des ‚Everyman’s right‘, das in der Öffentlichkeit jedem das Recht gibt, bestimmte Dinge zu tun“, sagt Pirkko Siitari bei einem Besuch auf der Insel. „Nehmen wir beispielsweise den Wald: Egal wem der Wald gehört, man kann Beeren oder Pilze nehmen. Die Natur ist für jeden da“.

Genau diesem Konzept folgt auch die Biennale. Die 35 ausgewählten Künstlerinnen und Künstler sind alle von der Natur inspiriert. Es soll vermittelt werden, wie wichtig das Bewahren von Natur in der heutigen Gesellschaft ist. Kuratorin Taru Tappola: „Natürlich geht es um die akuten Herausforderungen, vor denen wir Menschen stehen, wenn es um globale Erderwärmung und Naturveränderungen geht. Wir wollen aber nicht, dass die Künstler:innen das nur in ihren Arbeiten demonstrieren. Es geht auch eher unterbewusst darum.“

Helsinki hat es sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu sein, was durch eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Helsinki um 80 Prozent gelingen soll. Die restlichen 20 Prozent sollen durch erneuerbare Energieprojekte in Regionen außerhalb der Stadt kompensiert werden.

Die Veranstalter folgen dem Ziel der Stadt Helsinki und versuchen, die Organisation und Logistik der Biennale so nachhaltig wie möglich zu gestalten. „Das klappt natürlich noch nicht überall, aber bei der Kunstproduktion, die direkt auf der Insel gemacht wird, wird es funktionieren“, sagt Pirkko Siitari. Circa 80 % der Kunstwerke werden direkt auf der Insel hergestellt und nach der Biennale in Helsinki ausgestellt. Aufwendige Transporte werden dadurch erheblich reduziert. Die Kunstwerke kommen zur einen Hälfte von finnischen Künstler:innen wie z. B. Pavel Althamer und Hanna Tuulikki und zur anderen von internationalen Künstler:innen wie Alicia Kwade, Katharina Grosse und Mario Rizzi.

 

"Das hier ist kein White Cube" Pirkko Siitari

Die Arbeiten werden sowohl in den ehemaligen Munitionslagern als auch draußen in der freien Natur zu sehen sein. Doch noch sind die vielen Katakomben und Wiesen auf Vallisaari leer. Was dort bald genau ausgestellt wird, ist noch nicht nach draußen gedrungen.„Einige Künstler:innen werden in ihren Soundinstallationen, Videoarbeiten und Installationen Innen- und Außenraum verbinden. Aber die Insel hier ist definitiv kein White Cube“ sagen beide Kuratorinnen.

Wie bei den meisten Museen und Kulturinstitutionen der Stadt Helsinki wird auch der Eintritt zur Biennale kostenlos sein. Uneingeschränkter Zugang zu Kultur ist eine der Strategien der Stadt Helsinki und dem Department Helsinki Marketing, das sich neben der Außenwirkung der Stadt auch um Kulturförderung und Nachhaltigkeitsprojekte kümmert.

Dass in Helsinki Kultur einen hohen Stellenwert hat, sieht man schon an den vielen Museen für zeitgenössische Kunst wie z. B. Kiasma, Amos Rex oder HAM – und vor allem daran, dass die Kultureinrichtungen immer stark besucht sind. In die 2018 eröffnete Zentralbibliothek Oodi im Stadtzentrum etwa kommen jeden Tag über 10.000 Besucher, um zu lesen, Kaffee zu trinken oder sich einfach nur zu treffen. Von der Terrasse des eindrucksvollen Baus hat man eine wunderbare Aussicht auf einen großen, autofreien grünen Platz und andere wichtige Kultureinrichtungen.

Nicht nur hier hat man hat das Gefühl, in einer Vorzeigestadt der Zukunft zu sein, in der Kultur und Nachhaltigkeit mindestens so wichtig sind wie wirtschaftlicher und technologischer Fortschritt.